Tatort Zentrale
26/09/2017
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Wir haben keine Beschwerden, also brauchen wir keine Kundenzufriedenheit zu messen

Kundenzufriedenheit

Warum der Mittelstand mit dieser Einschätzung falsch liegt?

1. Kundenzufriedenheitmanagemement ist kein vordringliches Theme im Mittelstand

Manchmal fallen interessante Ergebnisse, z. B. bei Telefonaktionen, eher zufällig an. So auch im vorliegenden Fall. In den letzten Wochen führten wir bei vielen mittelständischen Unternehmen eine Telefonaktion durch. Auf die Frage, ob in ihrem Unternehmen Kundenzufriedenheit gemes-sen wird, erhielten wir erstaunliche Antworten.

Wir hatten mit Antworten in dieser Form über-haupt nicht gerechnet. Auch wenn einige Unternehmen sich intensiv um die Zufriedenheit ihrer Kunden kümmern, hörten wir doch häufiger Aussagen wie „Wir haben keine Beschwerden, deshalb brauchen wir uns um Kundenzufriedenheit nicht zu kümmern“ oder auch „Wir kriegen ja immer Anschlussaufträge, also müssen unsere Kunden sehr zufrieden sein!“
Oberflächlich betrachtet sind diese Antworten nachvollziehbar und beide Kriterien „keine Be-schwerden“ und „neue Aufträge“ eignen sich mit Einschränkungen als Indikatoren für eine (hohe) Kundenzufriedenheit. Zumindest die Vergabe weiterer Aufträge (also Wiederkauf) ist eine seit langem genutzte Operationalisierung für die Kundenloyalität. Über die tatsächliche Situation der Kunden (Zufriedenheit) und ihr zukünftiges Verhalten (Loyalität), sind allerdings auf Basis dieser Indikatoren keine fundierten Aussagen möglich.

Deshalb ist es fast schon fahrlässig, wenn Unter-nehmen sich auf diese oberflächlichen Indikatoren verlassen und sich die Mühe sparen, sich ein detailliertes Bild zur Zufriedenheit und vor allem zur Loyalität ihrer Kunden, zu verschaffen. Dabei können Kunden schnell, z. B. bei neuen technischen Entwicklungen oder der Einführung innova-tiver Services, einem Unternehmen den Rücken kehren. Beispiele hierfür gibt es zur Genüge, eines sei exemplarisch ausgeführt.

2. Gefangene Kunden sehen nur loyal aus, sind es aber nicht

Viele Menschen erinnern sich noch an die schweren, schwarzen Telefone, für die es sehr lange Zeit (bis Anfang der 1970iger Jahre) keine Alternative gab. Telefone waren schwarz, schwer und hatten eine Wählscheibe. Einziger Anbieter für diese Telefone war die Post, die das Endgerätemo-nopol inne hatte.

Die Kunden waren gefangen und hatten keine Alternative. Wie die meisten Monopolisten, konnte die Post sehr gut mit dieser Situation leben, es gab keinen Wettbewerb und damit auch keine alternativen Produkte. Deshalb musste sich die Post auch nicht um die Zufrie-denheit ihrer Kunden kümmern.

Obwohl viele Postkunden mit dieser Situation sehr unzufrieden waren und lieber farbige und mo-derner gestylte Telefone gekauft hätten, waren sie gezwungen immer wieder schwarze Telefone bei der Post ordern. Bis 1989 das Endgerätemonopol aufgehoben wurde. Da änderte sich die Marktsituation praktisch über Nacht.

Mitte 1990 waren bereits 38 moderne Telefone von privaten Anbietern zugelassen. Es gab farbige Telefone und eine Sensation waren bald auch Tastentelefone, die reißenden Absatz fanden. Ich erinnere mich gut an mein erstes Telefon, das ich noch als Student kaufte; es war rot und von Siemens (wie übrigens die meisten der schwarzen Telefone zuvor auch).

Nun ist das Thema hier nicht die Entwicklung des Telefonmarktes, es geht vielmehr um Kundenzu-friedenheit und warum es so wichtig ist, diese nicht mit wenig geeigneten Indikatoren zu messen und sich damit dem Risiko auszusetzen, strategisch falsche Entscheidungen zu treffen.

3. Barrieren ermöglichen ein sorgenfreies Wirtschaften – bis sie wegfallen

Die Botschaft ist einfach: Mit gefangenen Kunden lebt es sich lange Zeit gut, weil sie keine Al-ternative haben. Wenn aber so eine Alternative entsteht, wechseln die Kunden schnell den Anbie-ter, weil der einzige Grund zu bleiben, die Wechselbarriere, weggefallen ist.

Solche Barrieren müssen dabei nicht unbedingt technischer Natur sein, es können genauso gut Verträge oder auch einfach die Bequemlichkeit der Kunden sein. Letzteres z. B. in Fällen, in denen ein Wechsel zu einem anderen Anbieter zwar möglich aber (scheinbar) aufwändig ist.

Beispiele für solche Bequemlichkeitsbarrieren finden sich z. B. im Bankenbereich (Kontoumzug) oder auch bei Gas-, Wasser- oder Elektrizitätsversorgern (Wechsel des Stromanbieters).

Kunden bleiben aus Bequem-lichkeit häufig selbst dann noch bei einem Anbieter, wenn z. B. ein Wettbewerber anbietet, den Wechsel komplett zu organisieren – und das auch noch völlig kostenlos. Solche Angebote gibt es in den genannten Branchen bei praktisch jedem Marktteilnehmer.

4. Messen Sie die Beziehungsqualität zu Ihren Kunden

Was hat aber all dies mit einer Kundenzufriedenheitsmessung zu tun? Eine ganze Menge, ist es doch mittels einer solchen Messung auf verhältnismäßig einfachem Weg möglich, die Bezie-hungsqualität zu messen und z. B. gefangene Kunden zu identifizieren. Hierzu kann ein Bezie-hungsportfolio eingesetzt werden, wie es nachfolgend dargestellt ist.

Kundenzufriedenheitsmessung

Um dieses Portfolio zu konzipieren, reichen zwei Fragen aus. Zum einen werden die Kunden nach ihrer Gesamtzufriedenheit, „Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit unserem Unternehmen?“, und zum anderen nach ihrer Loyalität gefragt. Bei der Loyalität gibt es mehrere mögliche Operationa-lisierungen. Gut geeignet sind z. B. die Frage nach der Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit,

„Würden Sie unser Unternehmen aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrungen einem guten Kollegen weiterempfehlen?“, oder die Frage nach der Wiederkaufabsicht, „Werden Sie in Zukunft wieder Produkte/Dienstleistungen von unserem Unternehmen beziehen?“. Durch Kombination der Ge-samtzufriedenheit mit der Loyalität kann jeder Befragte einer der oben beschriebenen fünf Kate-gorien zugeordnet werden.

5. Steigern Sie den Nutzen der Analyse – fügen Sie als Benchmark Ihren Wettbewerber hinzu

Werden diese beiden Fragen auch zum Wettbewerb gestellt und die Informationen im Portfolio ergänzt, steigt der Nutzen, den ein Unternehmen aus dem Beziehungsportfolio ziehen kann, er-heblich an. Dies ist häufiger als vielleicht vermutet möglich.

Die meisten Befragten verfügen auch über Erfahrungen mit mindestens einem weiteren Wettbewerber. Durch die Relativierung der eigenen Werte an denen des Wettbewerbs, wird eine realistische Beurteilung der Ergebnisse er-leichtert. Die Prozentwerte im Portfolio basieren auf der Auszählung der dem jeweiligen Quadran-ten zugeordneten Befragten. Folglich muss die Summe über alle fünf Quadranten, Fans werden als Teilmenge des rechten oberen Quadranten ausgewiesen, immer 100% ergeben.

6. Entwickeln Sie gebundene in loyale Kunden

Strategisch gesehen muss ein Unternehmen danach streben, Kunden, die nicht im Quadranten „Überzeugte Kunden“ oder der Teilmenge „Fans“ liegen, genau dorthin zu entwickeln. Der ein-fachste Weg hierfür ist die Optimierung der kundenbezogenen Prozesse im Unternehmen. So kann die Zufriedenheit der Kunden gezielt gesteigert und in der Folge die Loyalität erhöht werden.

Möglich ist dies allerdings nur, wenn das Management des Unternehmens weiß, wie (un)zufrieden die Kunden aktuell sind und wo die Ursachen für diese (Un)Zufriedenheit liegen. Um diese Infor-mation zu erheben, reichen einfache Kriterien wie die zu Beginn beschriebenen, nicht aus.

Alle für das Kundenzufriedenheitsmanagement benötigten Informationen können jedoch mit relativ wenig Aufwand im Rahmen einer an die individuellen Prozesse im Unternehmen optimal ange-passten Kundenzufriedenheitsmessung beschafft werden.

Wie dies – auch im Mittelstand – funktioniert, erfahren Sie im nächsten kleinen Artikel.

Dr. Markus Mierzwa
Mail: markus.mierzwa@2hm.com

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Tel.: 06131-89.28.570
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